Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen

Vereinbarkeit

Vereinbarkeit von Familie und Beruf in Unternehmen – Angebote und Bedarfe

Unternehmen spielen eine zentrale Rolle, wenn es um das Thema „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ geht. Den Arbeitgebern bieten sich viele Stellschrauben, mit deren Hilfe Vereinbarkeit für die Familien einfacher gestaltet werden kann.
Warum engagieren sich Unternehmen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf? Welchen Nutzen haben die Unternehmen davon, wenn sie ihr Personal dabei unterstützen, Beruf und Familie miteinander zu vereinbaren? Viele Faktoren spielen eine Rolle: Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die dank der Unternehmensstrukturen in der Lage sind, Familie und Beruf gut zu vereinbaren, sind zufriedener, motivierter und loyaler. Sollen gut ausgebildete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gewonnen und gehalten werden, müssen Unternehmen aktiv werden und Vereinbarkeitsfragen müssen Teil der Personalpolitik werden. Neben einem Mangel an geeigneten Fachkräften sorgt auch der demographische Wandel dafür, dass die Attraktivität eines Unternehmens immer wichtiger wird.

Sinkende Geburtenraten, alternde Belegschaften und eine hohe Müttererwerbstätigkeit sowie steigende Inanspruchnahme von Elternzeit – Unternehmen, die langfristig erfolgreich sein wollen, haben bald kaum noch eine andere Wahl: Sie müssen das Thema Vereinbarkeit angehen. Der Ersatz von gut ausgebildeten Fachkräften, die ihre Erwerbstätigkeit für mehrere Jahre unterbrechen oder nicht aus der Elternzeit zurückkehren, ist für Unternehmen ein immer größerer Kostenfaktor (vgl. Ergebnisse der zweiten Arbeitnehmerbefragung A.T. Kearney 361°– Die Welt unserer Kinder, S.4). Nach wie vor zählen hierzu besonders Mütter, zunehmend jedoch auch Väter.

Konkrete Maßnahmen der Unternehmen sind ausbaufähig

Doch welche Maßnahmen werden von den Unternehmen aktuell angeboten und sind diese Angebote ausreichend? Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) führt alle vier Jahre ein Betriebspanel durch, bei dem alle Unternehmen in Deutschland befragt werden. Regelmäßig werden dort die Maßnahmen der Betriebe zum Thema Chancengleichheit von Männern und Frauen sowie ihr Beitrag zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf erfragt. Die Ergebnisse zeigen, dass das Thema noch nicht den Stellenwert hat, des es einnehmen müsste (Abbildung 1).


Abbildung 1: Quelle: IAB-Forschungsbericht 14/2013, S.60

Es zeigt sich, dass der Fokus der Unternehmen eindeutig auf Angeboten zur Arbeitszeitanpassung liegt: 23 Prozent aller Betriebe bieten dies ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an – mit weitem Abstand folgen betriebliche Angebote bei Elternzeit und Kinderbetreuung.

Die betrieblichen Maßnahmen bei Elternzeit und die Kinderbetreuung werden auch im Jahresvergleich betrachtet. Dabei zeigt sich ein desillusionierendes Bild (siehe Abbildung 2):


Abbildung 2: Quelle: IAB-Forschungsbericht 14/2013, S.61

Lediglich 7 Prozent der Unternehmen machen spezielle Angebote während der Elternzeit. Während sich von 2004 bis 2008 am Anteil der Unternehmen nichts geändert hat, ist für 2012 ein leichter Anstieg zu verzeichnen.

Ähnlich geringe Anteile zeigen sich beim Thema Kinderbetreuung (siehe Abbildung 3).
 

Abbildung 3: Quelle: IAB-Forschungsbericht 14/2013, S.61


2012 hat sich im Vergleich zu den Jahren 2004 und 2008 die Unterstützung bei der Kinderbetreuung zwar stark erhöht, das jedoch auf einem sehr niedrigen Niveau: 6 Prozent statt vormals 1 Prozent der Unternehmen haben die Kinderbetreuung unterstützt. Hierunter wird nicht nur das Angebot von Betriebskindertagesstätten verstanden, sondern auch eine Kooperation mit Kindertagesstätten sowie finanzielle Beteiligungen der Betriebe an der Kinderbetreuung.

Starker Fokus auf flexiblen Arbeitszeiten

Dass Unternehmen vor allem an einer familienfreundlichen Gestaltung der Arbeitszeiten ansetzen, zeigt auch eine repräsentative Unternehmensbefragung des Forschungszentrums Familienbewusste Personalpolitik aus dem Jahr 2012 (siehe Abbildung 4). Für die Studie wurden die Befragten gebeten, die drei bedeutsamsten Maßnahmen zur Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf in ihrem Unternehmen zu nennen.


Abbildung 4: Quelle: Gerlach et al., 2013, S.34

Die unterschiedlichen – und deutlich höheren – Werte im Vergleich zu der vorherigen Untersuchung erklären sich unter anderem dadurch, dass hier auch weniger greifbare Maßnahmen wie „Rücksichtnahme“ abgefragt wurden.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Unternehmen einen gewissen Handlungsbedarf in Bezug auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sehen, diesen jedoch hauptsächlich im Rahmen von flexiblen Arbeitszeitmodellen berücksichtigen. Weitergehende Maßnahmen kommen zu kurz.

Unternehmensgröße spielt eine Rolle für Engagement zum Thema Vereinbarkeit

Die Leistungen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf unterscheiden sich von Unternehmen zu Unternehmen. Auch weil diese mit betrieblichen Aufwendungen verbunden sind, sind große Unternehmen augenscheinlich im Vorteil: 2012 unterstützte nur knapp jeder fünfte Kleinstbetrieb seine Beschäftigten mit familienfreundlichen Arbeitszeitregelungen, während jeder zweite mittlere Betrieb und über drei Viertel der Großbetriebe ein solches Angebot machten (vgl. IAB-Forschungsbericht 14/2013, S.60ff).

Impulse aus der Geschäftsleitung

Doch nicht nur die Größe des Unternehmens ist entscheidend, wichtig für eine kontinuierliche Beschäftigung mit dem Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf auf Unternehmensebene sind vor allem Impulse aus der Geschäftsleitung (siehe Abbildung 5). Mit deutlichem Abstand ist die „Initiative der Geschäftsleitung“ der häufigste Auslöser für Maßnahmen im Hinblick auf eine bessere Vereinbarkeit.


Abbildung 5: Quelle: Gerlach et al., 2013, S.30

Nur 11 Prozent der Unternehmen geben Schwierigkeiten bei der Personalakquise als Auslöser für Bemühungen zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf an. Das Problem, geeignete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu gewinnen, scheint für Unternehmen entweder weniger drängend zu sein als gedacht oder aber es wird nicht mit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf in Zusammenhang gebracht.

Vielseitige Wünsche der Arbeitnehmer – Lücken zwischen Angebot und Nachfrage

Zur Beurteilung der Familienfreundlichkeit von Unternehmen reicht es nicht, nur auf die Angebote der Unternehmen zu blicken. Es stellt sich auch die Frage, wie die Beschäftigten die vorhandenen Angebote einschätzen und was sie sich von ihren Arbeitgebern wünschen. Um Antworten hierauf zu finden, wurden 1.771 Beschäftigte im Alter von 25 bis 55 Jahren befragt und gebeten, das jeweilige Angebot ihrer Unternehmen zu beurteilen (A.T. Kearney, 2013). Die Einschätzung der familienfreundlichen Angebote fällt insgesamt gemischt aus (siehe Abbildung 6).


Abbildung 6: Quelle: Ergebnisse der zweiten Arbeitnehmerbefragung A.T. Kearney 361°– Die Welt unserer Kinder, 2013, S.6

Lediglich hinsichtlich flexibler Arbeitszeit, Teilzeit und Wiedereingliederungsprogrammen ist der Anteil der zufriedenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter höher als der Anteil derer, die der Meinung sind, die Leistung des Unternehmens sei nicht gut ausgestaltet. Gerade beim Angebot von Kindergärten bzw. Kita und bei Heimarbeit überwiegt die Unzufriedenheit.

Außerdem sind nur 12 Prozent der Befragten die Kinder haben oder sich Kinder wünschen der Ansicht, dass ihr Arbeitgeber alle für sie relevanten Leistungen anbietet. Die übrigen 88 Prozent der Befragten gaben an, was sie sich speziell wünschen. Hier zeigen sich Unterschiede nach Geschlecht (siehe Abbildung 7 und 8).


Abbildung 7: Quelle: A.T. Kearney 361°– Die Welt unserer Kinder, S.5

Frauen äußern vor Allem Bedarf für eine Notfallbetreuung für Kinder sowie eine Kinderferienbetreuung, Männer hingegen vermissen Spezialangebote für Väter. Aber auch sie wünschen sich Notfallbetreuungsmöglichkeiten für Kinder und Langzeitkonten.


Abbildung 8: A.T. Kearney 361°– Die Welt unserer Kinder, S.5

Aus Arbeitnehmersicht haben sich Unternehmen beim Thema Familienfreundlichkeit im vergangenen Jahr kaum bewegt. Nur acht Prozent aller Befragten geben an, dass sich die Familienfreundlichkeit im Unternehmen in den letzten 12 Monaten verbessert hat (Ergebnisse der zweiten Arbeitnehmerbefragung A.T. Kearney 361°– Die Welt unserer Kinder, S.5).

40 Prozent der Männer und 33 Prozent der Frauen wünschen sich Langzeitkonten, 51 Prozent der Frauen und 41 Prozent der Männer wünschen sich eine Notfallbetreuung für Kinder. Diesem Bedarf wird von Unternehmensseite offenbar nicht ausreichend begegnet.

Nur 12 Prozent der befragten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer stimmen der Aussage zu, dass das Angebot von Kindergärten und Kitas ihres Unternehmens sehr gut ausgestaltet sei – das passt ins Bild, denn nur 6 Prozent der Unternehmen bieten Kinderbetreuung an. Fehlende Kinderbetreuungsmöglichkeiten sind und bleiben eines der großen Hindernisse für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

23 Prozent aller Unternehmen bieten eine Anpassung der Arbeitszeiten für Eltern an. 56 Prozent nennen Teilzeit als eines ihrer Top-5-Instrumente zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf; 35 Prozent nennen flexible Arbeitszeiten. Dennoch wünscht sich ein Drittel der Väter flexible Tages- und Wochenarbeitszeiten. Die Rollenmuster sind offenbar noch nicht aufgebrochen und die Väter sind noch nicht im Blick: 43 Prozent der befragten Väter wünschen sich Spezialangebote für Väter. Hier zeigt sich ein besonderer Unterstützungsbedarf der Männer.

Diese Daten deuten darauf hin, dass für Unternehmen großer Handlungsbedarf besteht: Ob bei Müttern oder Vätern, ob in Elternteilzeit oder als Familienernährer – jede Familienkonstellation benötigt Unterstützung durch den Arbeitgeber Unternehmen. Zumindest flexible Arbeitszeiten werden von vielen Unternehmen bereits angeboten; bei Themen wie Kinderbetreuung, Wiedereinstieg und Weiterbildungen nach der Auszeit besteht nach wie vor Handlungsbedarf.

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Literatur

A.T. Kearney 361°– Die Welt unserer Kinder (2014): Nur Mut! Wie familienfreundliche Unternehmen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie beitragen. Ergebnisse der zweiten Arbeitnehmerbefragung, online abrufbar unter: www.atkearney361grad.de/wp-content/uploads/2014/04/ATK_361%C2%B0_FamilienStudie_2014.pdf

Gerlach, Irene/ Schneider, Helmut/ Schneider, Ann Kristin/ Quednau, Anja (2013): Status quo der Vereinbarkeit von Beruf und Familie in deutschen Unternehmen sowie betriebswirtschaftliche Effekte einer familienbewussten Personalpolitik. Ergebnisse einer repräsentativen Studie, Forschungszentrum Familienbewusste Personalpolitik, Münster und Berlin 2013.

IAB-Forschungsbericht (14/2013): Beschäftigungsmuster von Frauen und Männern, Auswertungen des IAB-Betriebspanels 2012.

Possinger, Johanna (2010): Vereinbarkeit von Vaterschaft und Beruf. Eine Analyse betrieblicher Hindernisse. BGSS Working Paper No. 1, Institute of Social Sciences, Humboldt-Universität zu Berlin.


Autor/in:

Joscha Link
Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Informations- und Qualifizierungszentrums für Kommunen (IQZ) des Zentrums für interdisziplinäre Regionalforschung (ZEFIR) der Ruhr-Universität Bochum.

Katrin Linde
Wissenschaftliche Hilfskraft am Informations- und Qualifizierungszentrums für Kommunen (IQZ) des Zentrums für interdisziplinäre Regionalforschung (ZEFIR) der Ruhr-Universität Bochum.

Erstellungsdatum: 14.01.2015, letzte Aktualisierung am 03.02.2015