Leitbild
Familienpolitische Leitbilder in Nordrhein-Westfalen
- Woher kommen die Leitbilder?
- Um welche Art von Leitbild handelt es sich?
- Welche zentrale Aussage wird mit dem Leitbild transportiert?
- Zusammenfassung und Schlussfolgerungen
Die Entwicklung eines kommunalen Leitbildes gilt als probates Mittel für eine strategische Ausrichtung der Kommunalpolitik und der Kommunalverwaltung. Auch im Rahmen eines kommunalen Managements für Familien wird die Entwicklung entsprechender Leitsätze und Leitbilder empfohlen. Immer mehr Kommunen folgen dieser Empfehlung. Wo solche Leitbilder existieren und was in ihnen inhaltlich festgelegt wird, ist allerdings bislang nicht systematisch erfasst. Sicherlich muss jede Kommune vor dem Hintergrund ihrer jeweiligen Situation ihre eigenen Schwerpunkte finden. Kenntnisse über bereits vorliegende Leitbilder und deren inhaltliche Schwerpunkte können jedoch hilfreich bei der Vorbereitung und Entwicklung eigener Leitbilder sein und einen Austausch unter den Kommunen erleichtern.
Im Rahmen einer Internetrecherche des im Kontext der nordrhein-westfälischen Landesinitiative "Familie kommt an. In Nordrhein-Westfalen" tätigen Informations- und Qualifizierungszentrums für Kommunen (IQZ) wurden 33 kommunale Leitbilder, die in irgendeiner Weise auf das Thema „Familie“ eingehen, gefunden. Auch wenn sicherlich nicht alle online verfügbaren Leitbilder erfasst werden konnten und es außerdem zu bedenken gilt, dass nicht alle Kommunen von der Möglichkeit der Online-Veröffentlichung Gebrauch machen, scheint doch ein breiter Querschnitt familienpolitischer Leitbilder in Nordrhein-Westfalen vorzuliegen. So ergibt sich jedenfalls in Bezug auf die regionale Verortung der erfassten Kommunen, ihren Typus als Gebietskörperschaft sowie ihre Einwohnerzahl ein recht gutes Abbild der kommunalen Landschaft in Nordrhein-Westfalen
So konnten relevante Leitbilder aus jeweils sechs Kreisen bzw. kreisfreien Städten sowie aus 21 kreisangehörigen Städten und Gemeinden recherchiert werden. Von den 27 Städten sind sieben Großstädte mit über 100.000 Einwohnern und elf Städte haben eine Einwohnerzahl zwischen 25.000 und 100.000 Einwohnern. Die verbleibenden neun Gemeinden wiederum sind kleine Kommunen mit weniger als 25.000 Einwohnern. Geographisch verteilen sie sich über das gesamte Landesgebiet.
Jeweils neun Leitbilder stammen aus Kommunen der Regierungsbezirke Köln und Arnsberg, sechs Leitbilder aus Gemeinden des Regierungsbezirks Düsseldorf. In weiteren fünf Kommunen des Regierungsbezirks Münsters sowie vier Gemeinden des Regierungsbezirks Detmolds konnten ebenfalls Leitbilder recherchiert werden.
Die Entwicklung von Leitbildern hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Fast alle Leitbilder wurden im laufenden Jahrzehnt entwickelt. Das belegen die Erstellungsdaten der recherchierten Leitbilder. Dort, wo hierzu Angaben zu finden waren, wurde zu einem guten Drittel das Jahr 2009 oder 2008 genannt, bei einem weiteren Drittel entstanden die Leitbilder in den Jahren 2007 oder 2006. Der Rest wurde 2005 und früher erstellt.
Mit Blick auf den thematischen Umfang der recherchierten Leitbilder lassen sich zwei Kategorien unterscheiden. Zum einen ‚eigenständige‘ familienpolitische Leitbilder, die ausschließlich das Thema Familie behandeln, zum anderen ‚umfassende‘ Leitbilder, deren Leitsätze sich auf mehrere Bereiche kommunalpolitischen Handelns beziehen. Das Thema Familie stellt hier also einen Teilbereich innerhalb des gesamten Leitbildes dar. 13 Leitbilder gehören dem ersten Typus an, die restlichen 20 Leitbilder sind ‚umfassend‘.
Innerhalb der ‚umfassenden‘ Leitbilder variiert der Umfang der Aussagen zum Thema Familie deutlich. Während in einigen Leitbildern mit nur einem Satz, zum Teil recht allgemein, zum Thema Familie Stellung bezogen wird („Wir wollen eine kinder- und familienfreundliche Stadt sein.“), widmen andere Leitbilder diesem Bereich einen eigenen Teilabschnitt mit teilweise bis zu zehn Seiten. Zumeist bewegt sich der Umfang jedoch im Rahmen bis zu einer Seite. Diese hohe Variationsbreite gilt auch für die ‚eigenständigen‘ Leitbilder zum Thema Familie, allerdings sind deren Umfang und Differenziertheit deutlich größer. Hier finden wir zumeist Leitbilder mit einem Umfang im Bereich von zwei bis fünf Seiten. Die eigenständigen familienpolitischen Leitbilder sind also, was den formalen Umfang betrifft, in aller Regel weiter gehend als die in umfassendere kommunale Leitbilder integrierten Aussagen zu Familie.
Dies sind nur scheinbar rein formale Kriterien zur Beschreibung des Stands der Leitbildentwicklung. Mit dem Umfang nehmen nämlich in aller Regel auch die Differenziertheit der angesprochenen Themen und die Genauigkeit der Aussagen zu.
Während sich formal eher knapp gehaltene Leitbilder zumeist als reine Aufzählung von Zielen und Absichten charakterisieren lassen, sind umfangreichere Leitbilder oftmals mit differenzierten Handlungskonzepten verbunden. Letzteres ist bei einem Drittel der identifizierten Leitbilder der Fall. Dabei variiert der Grad der Differenziertheit dieser umsetzungsorientierten Teile stark. Solche Handlungskonzepte reichen von der Hervorhebung verschiedener Handlungsfelder bis hin zu integrierten Handlungskonzepten mit klaren Zielvorgaben oder der Definition konkreter Controllingindikatoren.
Zwei Drittel der Leitbilder geben Auskunft über den Prozess ihrer Entstehung. Dabei wird ersichtlich, dass Bürgerbeteiligung im Bereich der Leitbildgebung eine große Rolle spielt. Über 70% der Kommunen, die Angaben zum Entstehungsprozess des Leitbildes gemacht haben, gaben an, die Bürgerschaft im Leitbildprozess beteiligt zu haben. Dabei sind unterschiedliche Formen der Bürgerbeteiligung gebräuchlich, wie Bürgerforen, Workshops oder regelmäßige, themenspezifische Arbeitsgruppen. Die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger im Leitbildprozess kann mehrere Vorteile haben. Zum einen kann ein intensiver Austausch mit der Bürgerschaft zu einem besseren Verständnis akuter Problemlagen und Handlungsbedarfe beitragen, zum anderen ist davon auszugehen, dass eine Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger die Integrationsfunktion eines Leitbildes stärkt, also zu einer insgesamt höheren Identifikation der Stadtgesellschaft mit dem Leitbild führen kann.
Dies ist insbesondere dann von großer Bedeutung, wenn die in einem Leitbild vermittelten Werte, Normen und Regelungen Orientierung für das Handeln aller Akteure der Stadt/Gemeinde stiften sollen, sich also nicht ausschließlich auf die Arbeit kommunaler Politik und Verwaltung beziehen. In diesem Zusammenhang lässt sich konstatieren, dass über die Hälfte (18 von 33) der recherchierten Leitbilder nicht allein den Handlungsrahmen für die kommunale Verwaltung und Politik abstecken, sondern sich darüber hinaus an alle familienpolitisch aktiven gesellschaftlichen Gruppen und Personen richten. Von den 13 Leitbildern, die sich an alle gesellschaftlichen Akteure richten und deren Entstehungskontext rekonstruiert werden konnte, bezogen immerhin 12 die Bürgerinnen und Bürger in die Leitbilderstellung mit ein.
Kernsätze zum Thema „Familienfreundlichkeit“
In aller Regel lassen sich innerhalb der Leitbilder Kernsätze identifizieren, die allgemein auf die (angestrebte) Familienfreundlichkeit der Kommune abzielen.
„Wir wollen eine starke, familienfreundliche Stadt sein, in der sowohl Familien mit Kindern wie auch Jugendliche ein Umfeld finden, in dem sie sich positiv entwickeln können, damit sich auch künftige Generationen in Rhede zu Hause fühlen.“
„Wir werden Solingen zu einer besonders familienfreundlichen Stadt entwickeln, die Betreuungsangebote bedarfsgerecht ausweiten, die Generationen übergreifende Kommunikation fördern, weitere Betreuungs- und Pflegeangebote für Seniorinnen und Senioren schaffen….“
„Der Kreis Viersen ist ein Kreis für Familien. Er ist ein familienfreundlicher Standort mit hoher Wohnqualität.“
„Die Stadt Velbert bekennt sich zu dem Ziel: Velbert als familien- und kinderfreundliche Stadt.“
„Familien sind in Herten willkommen!“
„So wollen wir Lindlar 2020 sehen… ’Wir sind eine familienfreundliche Gemeinde.’“
„Wir sind familienfreundlich.“ (Plettenberg)
In einigen Fällen wird an solch zentraler Stelle Bezug zur kommunalen Unterstützung der Familien deutlich…
„Die kommunale Familienpolitik in Olsberg hat zum Ziel, eine Infrastruktur zu schaffen und zu unterstützen, die Familien bei der Erfüllung ihrer familienbezogenen Aufgaben stärkt und die Lebensbedingungen von Familien zu verbessern.“ (Olsberg)
„Wir werden weiter die Familie unterstützen“ (Kreis Soest)
…teilweise wird an den positiven vorhandenen Unterstützungsstrukturen angesetzt:
„Die vorhandenen positiven Merkmale der Stadt Bad Honnef im Gesundheits- und Sozialbereich gilt es zu erhalten, zu verbessern, auszubauen und allen Bürgerinnen und Bürgern inner- und außerhalb der Stadt transparent zu machen, insbesondere für Familien mit Kindern und Jugendlichen.“
Andere Leitbilder beziehen sich bereits an herausgehobener Stelle auf recht konkrete inhaltliche Ziele:
„Die Familien werden bei ihrer zentralen Aufgabe der Erziehung von Kindern und Jugendlichen unterstützt und gefördert.“ (Minden)
„Für Familien, die für die zukünftige Entwicklung unserer Stadt besonders wichtig sind, bedeutet Bedürfnisgerechtigkeit vor allem kinderfreundliches Wohnen.“ (Moers)
„Wir wollen eine kinder- und familienfreundliche Stadt sein, wirtschaftlich florierend, die Arbeitsplätze schafft und erhält.“ (Rüthen)
„Bürgernähe fängt für uns bei den Kleinsten an. Wir schaffen ein familienfreundliches Umfeld. Wir binden die Bürger frühzeitig und umfassend in die Entscheidungen ein.“ (Weilerswist)
„Aachen will für Familien noch attraktiver werden. Das gilt vor allem für das Wohnungsangebot, die Förderung privaten Wohnraums, speziell für junge Familien…“
Stellenwert kommunaler Familienpolitik
Aus den von uns identifizierten Kernsätzen der Leitbilder lassen sich häufig auch Aussagen für den allgemeinen Stellenwert des Themas in der Kommune ablesen. So findet man etwa Textpassagen, in denen vom „Mittelpunkt“ die Rede ist, in den Familienpolitik zu rücken sei…
„Deshalb wollen wir alles daran setzen, dass auch künftig unser Kreis für junge Menschen, junge Familien und ihre Kinder attraktive Lebensbedingungen bietet, und rücken das Thema Familien- und Kinderfreundlichkeit noch stärker in den Mittelpunkt unserer Zukunftsplanung.“ (Kreis Borken)
„Die familienpolitische Leitlinie stellt die Familie in den Mittelpunkt kommunalen Handelns. Die Verantwortungsgemeinschaft für Dortmunder Familien umfasst alle gesellschaftlichen Gruppen, Akteure und die Familien selbst.“ (Stadt Dortmund)
…oder Aussagen zur Bedeutung bzw. zur Planungsrelevanz der Bedürfnisse der Zielgruppe gemacht werden:
„Die Familien-, Kinder- und Jugendfreundlichkeit hat in Wesseling höchste Bedeutung.“ (Stadt Wesseling)
„Bedürfnisse von Kindern und Familien einschließlich Lebensgemeinschaften mit Kindern sind Ausgangspunkt aller Planungen und Angebote.“ (Kreis Paderborn)
„Der Bereich Familie, Senioren und Seniorinnen Kinder sowie Jugend wird als permanente Zukunftsaufgabe für Köln verstanden und durch ein Netz bürgerschaftlich engagierter Menschen getragen und unterstützt.“ (Stadt Köln)
Andere Leitbilder nehmen explizit Stellung zur Bedeutung unterschiedlicher Politik- und Handlungsebenen:
„Auf allen Handlungsebenen in der Stadt Troisdorf… werden kinder-, familien-, und seniorenfreundliche Strukturen geschaffen und gefördert.“ (Stadt Troisdorf)
„Familienpolitik ist Aufgabe aller staatlichen Ebenen – Bund, Länder, Gemeinden.“ (Langenfeld)
Handlungsbereiche
Diejenigen Leitbilder, die sich nicht nur auf eine oder auf wenige zentrale Aussage(n) beschränken, sondern auch schon konkrete Themenbereiche und Ziele benennen, unterscheiden sich sowohl in der Breite des Themenspektrums als auch hinsichtlich der jeweils hervorgehobenen Politikbereiche. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, dass bestimmte Handlungsbereiche deutlich häufiger thematisiert werden als andere.
An erster Stelle steht dabei die Betreuung von Kindern, was angesichts der aktuellen politischen Entwicklungen und Diskussionen erwartbar war. Mehr als die Hälfte der untersuchten Leitbilder bezieht sich explizit auf dieses Thema. Auch Wohnen und Bildung werden jeweils in fast der Hälfte der Leitbilder erwähnt. Bildung, Freizeit, Familienstruktur und Infrastruktur sind weitere häufig genannte kommunale Aufgaben. Letztlich kann man nicht von typischen Kombinationen ausgehen, auch hier gilt: (fast) jede Kommune definiert ihr eigenes themenbezogenes Leitbild – jedenfalls dann, wenn dieses Leitbild mehr beinhaltet als einen Kernsatz. Auffallend ist hier allerdings die Vielzahl unterschiedlicher Bereiche, in denen sich die Kommunen für Familien engagieren wollen. Insgesamt 17 verschiedene Themen finden sich in den Leitbildern – mit den bereits genannten Schwerpunkten.
Insgesamt sind keine substantiellen Unterschiede zwischen unterschiedlichen Typen von Kommunen etwa zwischen kreisfreien Städten, Kreisen oder kreisangehörigen Städten und Gemeinden aufgefallen. Auch manche kleine Kommune hat ein sorgfältig ausformuliertes Leitbild und auch die eine oder andere Großstadt begnügt sich in ihrem Leitbild mit wenigen Sätzen zur Familienpolitik.
Die Breite und Vielfalt der in den Leitbildern behandelten inhaltlichen Themen verweisen einmal mehr darauf, dass viele kommunale Verwaltungsbereiche vom Thema „Familie“ berührt sind. Familienpolitik ist ein klassisches Querschnittsthema, und bei der Umsetzung der Leitsätze sind notwendigerweise viele Ämter und Fachbereiche beteiligt.
Autorin und Autor:
Angelika Engelbert
Leiterin des Informations- und Qualifizierungszentrums für Kommunen (IQZ) am Zentrum für interdisziplinäre Regionalforschung (ZEFIR) der Ruhr-Universität Bochum.
Dennis Neumann
Student der Sozialwissenschaften an der Ruhr-Universität Bochum.
Erstellungsdatum: 18.11.2009
Woher kommen die Leitbilder?
Einen ersten Zugang zu einer solchen Auswertung vorliegender Leitbilder bietet der Rückgriff auf Informationen, die von den Kommunen auf ihren eigenen Webseiten eingestellt wurden. Auch wenn eine solche Informationspolitik noch nicht überall bzw. in gleichem Umfang praktiziert wird, kann man doch davon ausgehen, dass immer mehr Kommunen die Möglichkeit nutzen, über ihre eigenen Aktivitäten im Internet zu informieren.Im Rahmen einer Internetrecherche des im Kontext der nordrhein-westfälischen Landesinitiative "Familie kommt an. In Nordrhein-Westfalen" tätigen Informations- und Qualifizierungszentrums für Kommunen (IQZ) wurden 33 kommunale Leitbilder, die in irgendeiner Weise auf das Thema „Familie“ eingehen, gefunden. Auch wenn sicherlich nicht alle online verfügbaren Leitbilder erfasst werden konnten und es außerdem zu bedenken gilt, dass nicht alle Kommunen von der Möglichkeit der Online-Veröffentlichung Gebrauch machen, scheint doch ein breiter Querschnitt familienpolitischer Leitbilder in Nordrhein-Westfalen vorzuliegen. So ergibt sich jedenfalls in Bezug auf die regionale Verortung der erfassten Kommunen, ihren Typus als Gebietskörperschaft sowie ihre Einwohnerzahl ein recht gutes Abbild der kommunalen Landschaft in Nordrhein-Westfalen
So konnten relevante Leitbilder aus jeweils sechs Kreisen bzw. kreisfreien Städten sowie aus 21 kreisangehörigen Städten und Gemeinden recherchiert werden. Von den 27 Städten sind sieben Großstädte mit über 100.000 Einwohnern und elf Städte haben eine Einwohnerzahl zwischen 25.000 und 100.000 Einwohnern. Die verbleibenden neun Gemeinden wiederum sind kleine Kommunen mit weniger als 25.000 Einwohnern. Geographisch verteilen sie sich über das gesamte Landesgebiet.
Jeweils neun Leitbilder stammen aus Kommunen der Regierungsbezirke Köln und Arnsberg, sechs Leitbilder aus Gemeinden des Regierungsbezirks Düsseldorf. In weiteren fünf Kommunen des Regierungsbezirks Münsters sowie vier Gemeinden des Regierungsbezirks Detmolds konnten ebenfalls Leitbilder recherchiert werden.
Die Entwicklung von Leitbildern hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Fast alle Leitbilder wurden im laufenden Jahrzehnt entwickelt. Das belegen die Erstellungsdaten der recherchierten Leitbilder. Dort, wo hierzu Angaben zu finden waren, wurde zu einem guten Drittel das Jahr 2009 oder 2008 genannt, bei einem weiteren Drittel entstanden die Leitbilder in den Jahren 2007 oder 2006. Der Rest wurde 2005 und früher erstellt.
Um welche Art von Leitbild handelt es sich?
Bei der Bezeichnung der veröffentlichten Unterlagen findet sich keine einheitliche Begrifflichkeit. Hier ist zwar in aller Regel von „Leitbild“ die Rede, Begriffe wie „Leitlinie“, „Leitprojekt“, „strategisches Zielprogramm“, „Konzept“, „Deklaration“, „Leitsätze“, „Handlungsrahmen“ oder „Vision“ werden jedoch auch verwendet.Mit Blick auf den thematischen Umfang der recherchierten Leitbilder lassen sich zwei Kategorien unterscheiden. Zum einen ‚eigenständige‘ familienpolitische Leitbilder, die ausschließlich das Thema Familie behandeln, zum anderen ‚umfassende‘ Leitbilder, deren Leitsätze sich auf mehrere Bereiche kommunalpolitischen Handelns beziehen. Das Thema Familie stellt hier also einen Teilbereich innerhalb des gesamten Leitbildes dar. 13 Leitbilder gehören dem ersten Typus an, die restlichen 20 Leitbilder sind ‚umfassend‘.
Innerhalb der ‚umfassenden‘ Leitbilder variiert der Umfang der Aussagen zum Thema Familie deutlich. Während in einigen Leitbildern mit nur einem Satz, zum Teil recht allgemein, zum Thema Familie Stellung bezogen wird („Wir wollen eine kinder- und familienfreundliche Stadt sein.“), widmen andere Leitbilder diesem Bereich einen eigenen Teilabschnitt mit teilweise bis zu zehn Seiten. Zumeist bewegt sich der Umfang jedoch im Rahmen bis zu einer Seite. Diese hohe Variationsbreite gilt auch für die ‚eigenständigen‘ Leitbilder zum Thema Familie, allerdings sind deren Umfang und Differenziertheit deutlich größer. Hier finden wir zumeist Leitbilder mit einem Umfang im Bereich von zwei bis fünf Seiten. Die eigenständigen familienpolitischen Leitbilder sind also, was den formalen Umfang betrifft, in aller Regel weiter gehend als die in umfassendere kommunale Leitbilder integrierten Aussagen zu Familie.
Dies sind nur scheinbar rein formale Kriterien zur Beschreibung des Stands der Leitbildentwicklung. Mit dem Umfang nehmen nämlich in aller Regel auch die Differenziertheit der angesprochenen Themen und die Genauigkeit der Aussagen zu.
Während sich formal eher knapp gehaltene Leitbilder zumeist als reine Aufzählung von Zielen und Absichten charakterisieren lassen, sind umfangreichere Leitbilder oftmals mit differenzierten Handlungskonzepten verbunden. Letzteres ist bei einem Drittel der identifizierten Leitbilder der Fall. Dabei variiert der Grad der Differenziertheit dieser umsetzungsorientierten Teile stark. Solche Handlungskonzepte reichen von der Hervorhebung verschiedener Handlungsfelder bis hin zu integrierten Handlungskonzepten mit klaren Zielvorgaben oder der Definition konkreter Controllingindikatoren.
Zwei Drittel der Leitbilder geben Auskunft über den Prozess ihrer Entstehung. Dabei wird ersichtlich, dass Bürgerbeteiligung im Bereich der Leitbildgebung eine große Rolle spielt. Über 70% der Kommunen, die Angaben zum Entstehungsprozess des Leitbildes gemacht haben, gaben an, die Bürgerschaft im Leitbildprozess beteiligt zu haben. Dabei sind unterschiedliche Formen der Bürgerbeteiligung gebräuchlich, wie Bürgerforen, Workshops oder regelmäßige, themenspezifische Arbeitsgruppen. Die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger im Leitbildprozess kann mehrere Vorteile haben. Zum einen kann ein intensiver Austausch mit der Bürgerschaft zu einem besseren Verständnis akuter Problemlagen und Handlungsbedarfe beitragen, zum anderen ist davon auszugehen, dass eine Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger die Integrationsfunktion eines Leitbildes stärkt, also zu einer insgesamt höheren Identifikation der Stadtgesellschaft mit dem Leitbild führen kann.
Dies ist insbesondere dann von großer Bedeutung, wenn die in einem Leitbild vermittelten Werte, Normen und Regelungen Orientierung für das Handeln aller Akteure der Stadt/Gemeinde stiften sollen, sich also nicht ausschließlich auf die Arbeit kommunaler Politik und Verwaltung beziehen. In diesem Zusammenhang lässt sich konstatieren, dass über die Hälfte (18 von 33) der recherchierten Leitbilder nicht allein den Handlungsrahmen für die kommunale Verwaltung und Politik abstecken, sondern sich darüber hinaus an alle familienpolitisch aktiven gesellschaftlichen Gruppen und Personen richten. Von den 13 Leitbildern, die sich an alle gesellschaftlichen Akteure richten und deren Entstehungskontext rekonstruiert werden konnte, bezogen immerhin 12 die Bürgerinnen und Bürger in die Leitbilderstellung mit ein.
Welche zentrale Aussage wird mit dem Leitbild transportiert?
Im Folgenden wollen wir mit Hilfe konkreter Beispiele einige zentrale inhaltliche und strategische Trends innerhalb der von uns recherchierten Leitbilder veranschaulichen.Kernsätze zum Thema „Familienfreundlichkeit“
In aller Regel lassen sich innerhalb der Leitbilder Kernsätze identifizieren, die allgemein auf die (angestrebte) Familienfreundlichkeit der Kommune abzielen.
„Wir wollen eine starke, familienfreundliche Stadt sein, in der sowohl Familien mit Kindern wie auch Jugendliche ein Umfeld finden, in dem sie sich positiv entwickeln können, damit sich auch künftige Generationen in Rhede zu Hause fühlen.“
„Wir werden Solingen zu einer besonders familienfreundlichen Stadt entwickeln, die Betreuungsangebote bedarfsgerecht ausweiten, die Generationen übergreifende Kommunikation fördern, weitere Betreuungs- und Pflegeangebote für Seniorinnen und Senioren schaffen….“
„Der Kreis Viersen ist ein Kreis für Familien. Er ist ein familienfreundlicher Standort mit hoher Wohnqualität.“
„Die Stadt Velbert bekennt sich zu dem Ziel: Velbert als familien- und kinderfreundliche Stadt.“
„Familien sind in Herten willkommen!“
„So wollen wir Lindlar 2020 sehen… ’Wir sind eine familienfreundliche Gemeinde.’“
„Wir sind familienfreundlich.“ (Plettenberg)
In einigen Fällen wird an solch zentraler Stelle Bezug zur kommunalen Unterstützung der Familien deutlich…
„Die kommunale Familienpolitik in Olsberg hat zum Ziel, eine Infrastruktur zu schaffen und zu unterstützen, die Familien bei der Erfüllung ihrer familienbezogenen Aufgaben stärkt und die Lebensbedingungen von Familien zu verbessern.“ (Olsberg)
„Wir werden weiter die Familie unterstützen“ (Kreis Soest)
…teilweise wird an den positiven vorhandenen Unterstützungsstrukturen angesetzt:
„Die vorhandenen positiven Merkmale der Stadt Bad Honnef im Gesundheits- und Sozialbereich gilt es zu erhalten, zu verbessern, auszubauen und allen Bürgerinnen und Bürgern inner- und außerhalb der Stadt transparent zu machen, insbesondere für Familien mit Kindern und Jugendlichen.“
Andere Leitbilder beziehen sich bereits an herausgehobener Stelle auf recht konkrete inhaltliche Ziele:
„Die Familien werden bei ihrer zentralen Aufgabe der Erziehung von Kindern und Jugendlichen unterstützt und gefördert.“ (Minden)
„Für Familien, die für die zukünftige Entwicklung unserer Stadt besonders wichtig sind, bedeutet Bedürfnisgerechtigkeit vor allem kinderfreundliches Wohnen.“ (Moers)
„Wir wollen eine kinder- und familienfreundliche Stadt sein, wirtschaftlich florierend, die Arbeitsplätze schafft und erhält.“ (Rüthen)
„Bürgernähe fängt für uns bei den Kleinsten an. Wir schaffen ein familienfreundliches Umfeld. Wir binden die Bürger frühzeitig und umfassend in die Entscheidungen ein.“ (Weilerswist)
„Aachen will für Familien noch attraktiver werden. Das gilt vor allem für das Wohnungsangebot, die Förderung privaten Wohnraums, speziell für junge Familien…“
Stellenwert kommunaler Familienpolitik
Aus den von uns identifizierten Kernsätzen der Leitbilder lassen sich häufig auch Aussagen für den allgemeinen Stellenwert des Themas in der Kommune ablesen. So findet man etwa Textpassagen, in denen vom „Mittelpunkt“ die Rede ist, in den Familienpolitik zu rücken sei…
„Deshalb wollen wir alles daran setzen, dass auch künftig unser Kreis für junge Menschen, junge Familien und ihre Kinder attraktive Lebensbedingungen bietet, und rücken das Thema Familien- und Kinderfreundlichkeit noch stärker in den Mittelpunkt unserer Zukunftsplanung.“ (Kreis Borken)
„Die familienpolitische Leitlinie stellt die Familie in den Mittelpunkt kommunalen Handelns. Die Verantwortungsgemeinschaft für Dortmunder Familien umfasst alle gesellschaftlichen Gruppen, Akteure und die Familien selbst.“ (Stadt Dortmund)
…oder Aussagen zur Bedeutung bzw. zur Planungsrelevanz der Bedürfnisse der Zielgruppe gemacht werden:
„Die Familien-, Kinder- und Jugendfreundlichkeit hat in Wesseling höchste Bedeutung.“ (Stadt Wesseling)
„Bedürfnisse von Kindern und Familien einschließlich Lebensgemeinschaften mit Kindern sind Ausgangspunkt aller Planungen und Angebote.“ (Kreis Paderborn)
„Der Bereich Familie, Senioren und Seniorinnen Kinder sowie Jugend wird als permanente Zukunftsaufgabe für Köln verstanden und durch ein Netz bürgerschaftlich engagierter Menschen getragen und unterstützt.“ (Stadt Köln)
Andere Leitbilder nehmen explizit Stellung zur Bedeutung unterschiedlicher Politik- und Handlungsebenen:
„Auf allen Handlungsebenen in der Stadt Troisdorf… werden kinder-, familien-, und seniorenfreundliche Strukturen geschaffen und gefördert.“ (Stadt Troisdorf)
„Familienpolitik ist Aufgabe aller staatlichen Ebenen – Bund, Länder, Gemeinden.“ (Langenfeld)
Handlungsbereiche
Diejenigen Leitbilder, die sich nicht nur auf eine oder auf wenige zentrale Aussage(n) beschränken, sondern auch schon konkrete Themenbereiche und Ziele benennen, unterscheiden sich sowohl in der Breite des Themenspektrums als auch hinsichtlich der jeweils hervorgehobenen Politikbereiche. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, dass bestimmte Handlungsbereiche deutlich häufiger thematisiert werden als andere.
An erster Stelle steht dabei die Betreuung von Kindern, was angesichts der aktuellen politischen Entwicklungen und Diskussionen erwartbar war. Mehr als die Hälfte der untersuchten Leitbilder bezieht sich explizit auf dieses Thema. Auch Wohnen und Bildung werden jeweils in fast der Hälfte der Leitbilder erwähnt. Bildung, Freizeit, Familienstruktur und Infrastruktur sind weitere häufig genannte kommunale Aufgaben. Letztlich kann man nicht von typischen Kombinationen ausgehen, auch hier gilt: (fast) jede Kommune definiert ihr eigenes themenbezogenes Leitbild – jedenfalls dann, wenn dieses Leitbild mehr beinhaltet als einen Kernsatz. Auffallend ist hier allerdings die Vielzahl unterschiedlicher Bereiche, in denen sich die Kommunen für Familien engagieren wollen. Insgesamt 17 verschiedene Themen finden sich in den Leitbildern – mit den bereits genannten Schwerpunkten.
Zusammenfassung und Schlussfolgerungen
Die Erscheinungsdaten der ausgewerteten Leitbilder zeigen: Leitbilder zum Thema Familie nehmen zu. Dabei kann man nicht davon ausgehen, dass es so etwas wie ein „Standardleitbild“ gibt. Auch wenn vergleichbare Zielsetzungen und Inhalte zu finden sind, entwickelt (bis auf eine Ausnahme) tatsächlich jede Kommune ihr eigenes Leitbild, auf ihrem eigenen Weg.Insgesamt sind keine substantiellen Unterschiede zwischen unterschiedlichen Typen von Kommunen etwa zwischen kreisfreien Städten, Kreisen oder kreisangehörigen Städten und Gemeinden aufgefallen. Auch manche kleine Kommune hat ein sorgfältig ausformuliertes Leitbild und auch die eine oder andere Großstadt begnügt sich in ihrem Leitbild mit wenigen Sätzen zur Familienpolitik.
Die Breite und Vielfalt der in den Leitbildern behandelten inhaltlichen Themen verweisen einmal mehr darauf, dass viele kommunale Verwaltungsbereiche vom Thema „Familie“ berührt sind. Familienpolitik ist ein klassisches Querschnittsthema, und bei der Umsetzung der Leitsätze sind notwendigerweise viele Ämter und Fachbereiche beteiligt.
Autorin und Autor:
Angelika Engelbert
Leiterin des Informations- und Qualifizierungszentrums für Kommunen (IQZ) am Zentrum für interdisziplinäre Regionalforschung (ZEFIR) der Ruhr-Universität Bochum.
Dennis Neumann
Student der Sozialwissenschaften an der Ruhr-Universität Bochum.
Erstellungsdatum: 18.11.2009