Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen

Vereinbarkeit von Beruf und Familie

Herausforderungen der Vereinbarkeit von Familie und Beruf auf lokaler Ebene – ein Gespräch mit Petra Mackroth

Wie können Lokale Bündnisse helfen, um den aktuellen Herausforderungen im Themenfeld „Vereinbarkeit“ gerecht zu werden? Wir sprachen mit Petra Mackroth, Abteilungsleiterin im Bundesfamilienministerium, über die Herausforderungen der Vereinbarkeit von Familie und Beruf und darüber, welche Rolle die Lokalen Bündnisse einnehmen können.
Frau Mackroth, Sie sind bereits seit vielen Jahren für das Bundesfamilienministerium tätig. Das heißt, das Thema „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ ist Ihnen bestens vertraut. Wie haben sich die Schwerpunkte und Herausforderungen über die Jahre in diesem Themenfeld verändert?

Für eine gute Vereinbarkeit von Familie und Beruf spielen heute viele Maßnahmen eine wichtige Rolle: Dazu gehören flexible Arbeitszeiten, ein bedarfsgerechtes Angebot an Kinderbetreuungsplätzen, Unterstützung für Berufstätige mit Pflegeaufgaben und eine familienorientierte Zeitpolitik vor Ort. Dies war nicht immer so. Noch vor zehn Jahren waren Familien oftmals auf sich alleine gestellt bei der Frage, wie sie Familie und Beruf unter einen Hut bekommen. Im Jahr 2004 sorgte die damalige Bundesfamilienministerin Renate Schmidt für einen Paradigmenwechsel: Neben monetären Leistungen für Familien rückte sie die Schaffung einer familienorientierten Infrastruktur in den Mittelpunkt der Familienpolitik. So steht der Ausbau der Kinderbetreuung seither im Mittelpunkt, um berufstätige Mütter und Väter bei einer besseren Vereinbarkeit zu unterstützen. Hier haben wir bereits viel erreicht.

  • Petra Mackroth, © Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Nach der Einführung des Rechtsanspruchs auf einen U3-Betreuungsplatz im vergangenen Jahr fällt die Bilanz positiv aus: Heute gibt es in Deutschland so viele Betreuungsangebote wie nie zuvor. Doch der Bedarf ist noch nicht gedeckt. Deshalb wird der Bund den weiteren Ausbau auch zukünftig unterstützen. Ein wichtiges Zukunftsthema für eine bessere Vereinbarkeit ist auch eine zunehmend von Eltern gewünschte partnerschaftliche Aufgabenteilung in der Verantwortung für Familie und Beruf. Denn viele Mütter würden gerne mehr arbeiten, viele Väter dagegen gerne mehr Zeit für die Familie haben. Das von Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig auf den Weg gebrachte ElterngeldPlus wird ab Juli 2015 dafür ein zentraler Baustein sein. Durch eine längere Förderung und individuellere Möglichkeiten wird es für Eltern einfacher möglich, die Anforderungen von Familie und Beruf partnerschaftlicher aufzuteilen.

Vereinbarkeit bedeutet heute, die vielfältigen Facetten von Familie und Beruf zu koordinieren – dazu gehören auch Freizeitbeschäftigungen, Hobbys, schulische Verpflichtungen, Sportkurse der Kinder etc. Was heißt das für die Arbeit vor Ort?

Da viele Lebensbereiche das Familienleben beeinflussen, sollten auch die verschiedenen Akteure aus Gesellschaft, Politik und Wirtschaft an einem Tisch zusammenkommen: Die Arbeitgeber, Kinderbetreuungseinrichtungen und Schulen, (Sport-)Vereine, die Einzelhandelsunternehmen vor Ort, Arztpraxen, Behörden, Gewerkschaften und Verkehrsanbieter. Diese Zusammenarbeit hat sich in Form der Lokalen Bündnisse für Familie bewährt. Die Akteure vor Ort können bestehende Strukturen und zeitliche Abläufe so aufeinander abstimmen, dass Familien in ihrem Alltag weniger Zeitkonflikte erleben und Familie und Beruf besser vereinbaren können. Für das Thema „Kommunale Familienzeitpolitik“ haben dies bereits fünf Lokale Bündnisse in einem Pilotprojekt erfolgreich erprobt. Dabei spielen nicht nur Betreuungsmöglichkeiten in den Ferien oder in Notfällen eine wichtige Rolle. Auch die Abstimmung der Öffnungszeiten von Ämtern, Geschäften und Arztpraxen auf die Bedarfe von berufstätigen Eltern sollten berücksichtigt werden.

Sie sind In Ihrem Hause für die angesprochene Initiative „Lokale Bündnisse für Familie“ zuständig. Welchen Beitrag leisten die Lokale Bündnisse für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf seit der Gründung der Bundesinitiative im Jahr 2004?

Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist von Anfang an das Schwerpunktthema der Initiative „Lokale Bündnisse für Familie“ gewesen. Von den inzwischen rund 670 Lokalen Bündnissen für Familie engagieren sich mehr als 90 Prozent in diesem Bereich. Gemeinsam mit den Kommunen und vielen weiteren Partnern haben die Lokalen Bündnisse viel für die bessere Vereinbarkeit vor Ort bewegt. Rund 13.000 Akteurinnen und Akteure aus Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft erarbeiten in partnerschaftlicher Zusammenarbeit Lösungen für Familien. Dabei wurden bereits mehr als 5.200 Projekte auf den Weg gebracht.

Die Lokalen Bündnisse haben sich somit in den letzten zehn Jahren als ein echtes Erfolgsmodell erwiesen. Sie sind Innovationsmotoren für die verschiedensten Aspekte von Vereinbarkeit. So haben sie sich zum Beispiel für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Alleinerziehende stark gemacht genauso wie für das Thema „Schulkinderbetreuung“ oder für Beschäftigte, die Beruf und Pflege miteinander vereinbaren. Insgesamt haben sie in den letzten zehn Jahren entscheidend dazu beigetragen, dass das Thema „Vereinbarkeit“ aus der kommunalen Familienpolitik heute nicht mehr wegzudenken ist.

Ein großes Thema war und ist die Kinderbetreuung. Was bleibt nach der Einführung des Rechtsanspruchs auf einen U3-Betreuungsplatz für die Lokalen Bündnisse hier zu tun?

Eine gute Kinderbetreuung und frühe Förderung für alle Kinder gehören zu den wichtigsten Zukunftsaufgaben in Deutschland. Gemeinsames Ziel von Bund, Ländern und Kommunen ist ein bedarfsgerechtes Angebot an Betreuungsplätzen. Wenn jedoch das Kind krank wird oder die Schicht beginnt, bevor die Kita öffnet, benötigen berufstätige Eltern eine verlässliche Betreuungsalternative.

Dabei können die Lokalen Bündnisse sie unterstützen: durch flexible, kreative und zeitgemäße Betreuungslösungen, die das Regelangebot ergänzen. Das kann beispielsweise ein Betreuungs-Notruf wie in Neu Wulmstorf sein, bei dem Familien direkt anrufen können. Tritt überraschend ein Betreuungsengpass ein, vermittelt der Notruf schnell und unbürokratisch eine kurzfristige Betreuung für die Kinder oder auch für pflegebedürftige Angehörige. So leisten die Bündnisse mit unterschiedlichsten Angeboten für die Ferien-, Notfall- und Nachmittagsbetreuung einen wichtigen Beitrag für eine gelingende Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Das reicht vom Ferienprogramm, in dem Kinder spannende Zeiten verbringen und viel Neues erlernen können, über die Nachmittagsbetreuung von Erst- und Zweitklässlern in Kitas bis hin zur flexiblen Kurzzeitbetreuung.

Wie können die Lokalen Bündnisse den Herausforderungen der komplexen Lebenssituationen von Familien und den vielfältigen Bedarfen vor Ort auch zukünftig wirksam begegnen?

Die Lokalen Bündnisse für Familie und ihr Angebot sind in Deutschland einzigartig. Die Initiative ist die größte, in der sich Politik, Wirtschaft und Gesellschaft auf diese Weise gemeinsam für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf stark machen. Auf dieser stabilen Grundlage können die Bündnisse ihr Angebot auch in Zukunft nachhaltig und zukunftssichernd weiterentwickeln. Beispielsweise haben die Bündnisse großes Potenzial, den Wunsch hin zu einer stärkeren partnerschaftlichen Aufgabenteilung zwischen Mann und Frau in Familien- und Erwerbsleben zu unterstützen. Die Bündnisse arbeiten schon heute an Lösungen, wie sie hier in Zukunft gemeinsam mit vielen Partnern den Familien bestmöglich zur Seite stehen können.


Petra Mackroth ist Leiterin der Abteilung Familie im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.


Erstellungsdatum: 09.10.2014, letzte Aktualisierung am 03.11.2014