Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen

Vereinbarkeit von Beruf und Familie

Unternehmenswettbewerbe als Triebfeder für Familienfreundlichkeit

von Ingmar Ebhardt

Im Kreis Steinfurt wurde zum wiederholten Mal ein Unternehmenswettbewerb zur Familienfreundlichkeit durchgeführt – mit nachhaltigen Wirkungen für die Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Die Wirtschaftsförderungs- und Entwicklungsgesellschaft Steinfurt mbH (WESt) hat in 2012 bereits zum dritten Mal den Unternehmenswettbewerb „Betriebsplus Familie“ erfolgreich durchgeführt. 32 Teilnehmer und 100 Gäste auf der feierlichen Preisverleihung belegen den Erfolg. Mittlerweile hat die WESt eine ganze Palette von Angeboten zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie für die Unternehmen im Kreis Steinfurt ins Leben gerufen und etabliert. Informationsveranstaltungen, Kleinworkshops, Erstberatung und weitere Serviceangebote zählen zum Portfolio der Wirtschaftsförderung. In Zusammenarbeit mit den Nachbarkreisen aus dem Münsterland wurde das Gütesiegel „Familienfreundlicher Arbeitgeber“ entwickelt, das von der Bertelsmann Stiftung übernommen wurde und heute bundesweit vermarktet wird. Ebenfalls in Kooperation dieser Kreise wurde ein Instrument zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Pflege entwickelt, der betriebliche Pflegekoffer für das Münsterland.

 

Der Wettbewerb machte den Anfang

Auch wenn der Wettbewerb heute nur noch ein Teilbaustein von „Betriebsplus Familie“ darstellt, war die Erstauflage in 2008 der Startschuss für die Entwicklung. Das Thema war für die Wirtschaftsförderung im Kreis seinerzeit noch Neuland. Eine gewisse Unsicherheit war schon vorhanden: Ist das überhaupt interessant für die Unternehmen im Kreis? Wie intensiv sollen wir uns damit beschäftigen? Das galt es für uns herauszufinden. Unser Wettbewerb war im Prinzip eine Art Versuchsballon.

Trotz der Unsicherheit war die Entscheidung relativ schnell gefällt, das Thema zumindest für die Laufzeit des Wettbewerbs etwas offensiver anzugehen. Mit „Betriebsplus Familie“ wurde zügig ein Name für den Wettbewerb gefunden. Frühzeitig sicherte sich die WESt auch die Partnerschaft der beiden Zeitungen im Kreis und des Lokalsenders RadioRST, die eine umfassende Berichterstattung zusagten und auf dem Werbeflyer mit Logo vertreten waren.

Bei der Konzeptionierung galt es mehrere Faktoren unter einen Hut zu bringen: Die Teilnahme sollte möglichst einfach sein und doch individuell auf die Unternehmen eingehen. Zu guter Letzt mussten die Beiträge vergleichbar sein und der Jury ein möglichst objektives Urteil erlauben.

Die Lösung war ein mehrstufiges Verfahren. Auf der Wettbewerbshomepage wurden Informationen zu den verschiedenen familienfreundlichen Themenfeldern zusammengetragen und den Unternehmen beispielhaft präsentiert, um ein Gefühl zu vermitteln, was überhaupt zur Familienfreundlichkeit gehören kann. Um auf die unterschiedlichen Bedingungen einzugehen wurden die Teilnehmer nach Unternehmensgröße in zwei Kategorien eingeteilt. Kleine Unternehmen bis 50 sowie große Unternehmen mit über 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.

 

Interviews in Unternehmen liefern wichtige Informationen

Eine Anmeldung zum Wettbewerb war sehr einfach möglich. Ausreichend war bereits eine Email mit Benennung der Ansprechpartner und verschiedenen familienfreundlichen Aspekten im Unternehmen – gerne auch in Stichpunkten niedergeschrieben. Im Anschluss erfolgte ein Wettbewerbsinterview durch das Organisationsteam. Die Interviews folgten einem Leitfaden, der in Anlehnung an die Informationen und Angebote des Unternehmensnetzwerks „Erfolgsfaktor Familie“ und des audit berufundfamilie entwickelt wurde. Die Interviewer befassten sich mit dem Betriebsklima, Engagement und Umgang mit individuellen Problemsituationen, sowie generellen Maßnahmen. „Wir haben sehr schnell festgestellt, dass der Leitfaden wirklich nur ein Leitfaden ist. Die Idee, die wir anfangs hatten, die Erfassung mittels Abhaken von verschiedenen Maßnahmen zu übernehmen, haben wir sehr schnell verworfen“ erklärt Sandra Waterkamp, die auch stark in die Entwicklung des Konzepts eingebunden war. „Letztendlich haben wir schon feste Themenbereiche gehabt, aber wir haben hierzu für jedes Unternehmen individuelle Notizen gemacht und einen Steckbrief erarbeitet. Denn letztlich hat jedes Unternehmen andere Voraussetzungen und auch Lösungsansätze.“

Die Interviews erfolgten vor Ort bei den Unternehmen oder telefonisch – ganz nach deren Wunsch. Schnell wurde klar, dass bei den Teilnehmern das Interesse sehr groß war. Aus den Interviews ergab sich ein reger Austausch zwischen WESt und Unternehmen, über Probleme beim Zeitmanagement in der Produktion bis hin zu den Möglichkeiten, Mitarbeiter mit Familie steuerlich zu entlasten. Auffallend auch: Bei nahezu allen Teilnehmenden fanden sich im Verlauf des Gesprächs familienfreundliche Aspekte, Maßnahmen und Grundeinstellungen, die diese bei der Anmeldung noch gar nicht im Kopf hatten. Viele Unternehmen haben den Wettbewerb genutzt, um sich überhaupt das erste Mal systematisch mit dem Thema auseinanderzusetzen und eine Bestandsaufnahme von dem zu machen, was bislang so im Vorbeigehen erfolgte: „Was bedeutet Familienfreundlichkeit für uns? Was machen wir eigentlich, um familienfreundlich zu sein? Wo haben wir Potential zur Verbesserung bzw. wo haben wir vielleicht bislang unerkannten Bedarf bei unseren Beschäftigten?“ Die WESt stand dabei als Sparringspartner gerne zur Verfügung.

Bereits während der Interviews fragte die WESt auch ab, an welchen Stellen sich die Unternehmen noch mehr Unterstützungsmöglichkeiten wünschten. Der Wunsch nach mehr allgemeinen Informationen zur Familienfreundlichkeit und Austauschmöglichkeiten mit anderen Unternehmen im Kreis wurden häufig genannt. Auch thematisch wurden konkrete Aussagen gemacht: Bereits 2008 stand das Thema Pflege bei einigen Teilnehmern ganz oben auf der Liste der zukünftigen Herausforderungen, die es anzugehen gilt.

 

Breite Unterstützung im Kreis und von außerhalb

Alles andere als trivial war die endgültige Urteilsfindung. Wer sollte jetzt den ersten Preis bekommen, welche Unternehmen letztlich ausgezeichnet werden? Hierzu wurde eine fünfköpfige Jury bestimmt, der das Organisationsteam eine Auswahl der besten Kandidaten vorstellte. In der Jury sollten Fachverstand und Familienvertreter beteiligt sein. Martina Nötzold vom Verband für alleinerziehende Mütter und Väter e.V. sowie Dr. Erwin Weßling, Inhaber der WESSLING Gruppe, sind seit der ersten Auflage glaubwürdige und kompetente Vertreter von Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite. Mit Günter Borowski ist ein Vertreter der Wohlfahrtsverbände dabei. Landrat Thomas Kubendorff lässt sich eine Teilnahme an der Diskussion natürlich nicht nehmen. Unterstützung bekam er in 2008 vom Fachdienstleiter Kinder und Jugend der Stadt Ibbenbüren, Benedikt Gröver. Seitdem sich dieser im Ruhestand befindet, ist mit dem Bürgermeister von Laer, Detlev Prange, ein weiterer Vertreter aus der Politik an Bord. Die Urteilsfindung in der ersten, wie auch in folgenden Wettbewerbsauflagen war alles andere als einfach und der Grund für angeregte Diskussionen über mehrere Stunden.

Am 27. November 2008 fand in Stroetmanns Fabrik die feierliche Preisverleihung des ersten Wettbewerbs mit über 100 Gästen statt. Landrat Thomas Kubendorff ließ es sich nicht nehmen, jeden der 24 Teilnehmerinnen und Teilnehmer vorzustellen und persönlich zu gratulieren. Um auch einen inhaltlichen Mehrwert zu generieren hatte man sich frühzeitig an die Kolleginnen und Kollegen vom „Erfolgsfaktor Familie“-Netzwerk gewandt, die sich bereiterklärten einen Grundlagenvortrag zur Familienfreundlichkeit, angereichert mit guten Beispielen aus dem Netzwerk, zu halten. Für die WESt ein Glücksfall: Die damals geknüpften Kontakte haben wir bis heute erhalten und intensiviert. Wenn wir individuelle Fachanfragen für bestimmte Problemstellungen aus den Unternehmen bekommen, greifen wir sehr gerne auf das Netzwerkbüro in Berlin zurück. Dort erhalten wir eigentlich immer entweder direkt die Informationen, die unsere Unternehmen brauchen oder zumindest einen geeigneten Kontakt, der uns weiterhelfen kann.

 

Es bleibt nicht beim Wettbewerb...

Aufgrund der vielen positiven Rückmeldungen zum Wettbewerb war die Entscheidung schnell getroffen, dass Vereinbarkeit von Beruf und Familie auch längerfristig eine wichtige Rolle bei der WESt spielen sollte. Das Ziel, wenigstens zwei größere Informationsveranstaltungen im Kreis zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie im Jahr auszurichten, hält die WESt bis heute ein. Für besonders interessierte Unternehmen werden Kleinworkshops angeboten, auf denen diese sich gezielt zu bestimmten Themen austauschen könnten. Schließlich war man auf Seite der Organisatoren so angetan von den verschiedenen Aktivitäten und Konzepten der Teilnehmer, dass schnell der Entschluss feststand, in 2009 alle Teilnehmer in einer Broschüre mit guten Beispielen für den Kreis vorzustellen. Das Schreiben der Artikel übernahm in Absprache mit den Unternehmen das Organisationsteam der WESt.

Der Wettbewerb wurde mittlerweile zum dritten Mal aufgelegt und mit 30 Teilnehmern in 2010 und 32 Teilnehmern in 2012 wurden jeweils Steigerungen erreicht. Aufgrund der großen Nachfrage nach den Abschlussbroschüren mit den guten Beispielen wurde auch die Auflage kontinuierlich gesteigert und liegt nach 1000 Stück in 2009 mittlerweile bei 2500 Exemplaren für die aktuelle Version. Ein weiteres Indiz für den Erfolg und die Nachhaltigkeit, mit der auch die Unternehmen im Kreis das Projekt „Betriebsplus Familie“ allgemein angehen, ist das Beispiel des Unternehmens „Döcker und Partner – Steuerberater Wirtschaftsprüfer Rechtsanwalt“ aus Rheine. Der Wettbewerbssieger aus 2008 hat sich seither kontinuierlich weiterentwickelt und auch immer wieder bei den Aktivitäten von „Betriebsplus Familie“ eingebracht. In 2012 wurden die Rheinenser dann im Rahmen des bundesweiten „Erfolgsfaktor Familie“-Wettbewerbs von der Kanzlerin als familienfreundlichstes Unternehmen Deutschlands ausgezeichnet. Als zusätzliche Anerkennung durch die WESt wurde Frau Saborowski als Vertreterin des Unternehmens einmalig in die Jury für den Wettbewerb 2012 berufen.

 

Erfolge schaffen neue Herausforderungen

Diese Begebenheit lenkt den Blick auf ein Problem für die zukünftige Entwicklung des Wettbewerbs: Der Kreis von Unternehmen, die sich mittlerweile schon jahrelang und intensiv mit dem Thema auseinandersetzen, verringert die Erfolgschancen für Newcomer. Die Möglichkeit, den Preis immer an den gleichen Kreis von Unternehmen oder im Extremfall immer an das gleiche Unternehmen zu vergeben, würde den Wettbewerb allerdings weniger attraktiv machen. Auch für die Sieger ist es in der Außendarstellung schwer zu kommunizieren, warum sie in einem Jahr gewonnen haben und im nächsten Jahr nicht. Die fälschliche Schlussfolgerung, die Sieger aus der letzten Runde hätten nachgelassen, könnte nur zu leicht aufkommen. Die WESt hat sich deshalb dazu entschieden, für zukünftige Neuauflagen, eine weitere Teilnehmerkategorie ins Leben zu rufen. Die Unternehmen, die schon einmal im Rahmen von „Betriebsplus Familie“ ausgezeichnet wurden, werden in einer eigenen Gruppe bewertet. Der Schwerpunkt liegt hier insbesondere auf dem Bereich der Weiterentwicklung. Mit dieser Aufteilung soll der Anreiz für neu teilnehmende Unternehmen verbessert werden, die sich nicht von den „alten Hasen“ abschrecken lassen sollen. Gleichzeitig soll der Anreiz für die Sieger steigen, sich erneut am Wettbewerb zu beteiligen und der Initiative so nicht verloren zu gehen.

Unterm Strich bleibt festzuhalten: Ein Unternehmenswettbewerb zur guten Vereinbarkeit von Beruf und Familie kann ein gutes Instrument sein, um auf kommunaler Ebene mit den Unternehmen ins Gespräch zu kommen, Kontakte zu knüpfen und Eindrücke zu erhalten, an welchen Stellen bei der Wirtschaft Informations- und Unterstützungsbedarf besteht.

Die „Betriebsplus Familie“-Broschüre mit guten Beispielen 2013 sowie weitere Informationen zum Wettbewerb und der Initiative allgemein erhalten Sie bei der WESt: Wirtschaftsförderungs- und Entwicklungsgesellschaft Steinfurt (WESt), Tecklenburger Str. 8, 48565 Steinfurt.
E-Mail:
info(at)betriebsplusfamilie.de


Autor:
Ingmar Ebhardt
Mitarbeiter der Wirtschaftsförderungs- und Entwicklungsgesellschaft Steinfurt (WESt)

Erstellungsdatum: 29.08.2013, letzte Aktualisierung am 07.01.2014