Gesundheit
„Unterstützung von Familien mit Jugendlichen“ (Bochum)
- Erziehungskompetenz der Eltern stärken: „Kinder brauchen Grenzen.“
- Wie kann die Unterstützung der Eltern konkret realisiert werden?
- Elterncoaching Autorität: „Die Eltern sind nicht das Problem. Die Eltern sind die Lösung.“
- „Immer weniger trinken immer mehr“: Hart am Limit (HaLT) – ein Alkoholpräventionsprojekt
- Düsseldorfer Diversion „Gelbe Karte“: „Die letzte Chance vor der Anklage.“
- „Wenn Kinder Kinder kriegen“ – Eltern auf Probe im Elternpraktikum
- Den Übergang von der Schule in den Beruf gemeinsam erfolgreich gestalten
- Die Sicht der Teilnehmenden: Übergang Schule und Beruf
- Die Sicht der Teilnehmenden: Unterstützung der Eltern bei der Erziehung
- Die Sicht der Teilnehmenden: Kriminalitäts- und Gewaltvermeidung
- Fazit: Ein Plädoyer für starke Eltern und starke Netzwerke
Mit dem Eintritt in die Pubertät beginnt nicht nur für Heranwachsende eine spannende und oftmals nicht ganz unproblematische Zeit. Auch die Eltern sehen sich neuen Herausforderungen gegenüber. Denn obwohl sich die Jugendlichen in diesem Alter bewusst von den Eltern abgrenzen, bleiben diese weiterhin zentrale Bezugspersonen für ihre Kinder. Schwierigkeiten in der Schule, auffälliges Verhalten, Sucht oder berufliche Orientierungslosigkeit sind Probleme, bei denen auch die Erziehungs- und Unterstützungskompetenz der Eltern gefragt ist.
Wo grundsätzliche Bedarfe und Handlungsoptionen liegen, zeigte Matthias Bartscher von der Elternschule Hamm in seinem Vortrag auf.
Zu vielen Problemen führe, so Bartscher, ein weit verbreitetes Erziehungsideal: anstatt Regeln und Kontrollen mit fortschreitendem Alter des Kindes immer weiter zu lockern, würde oftmals das genaue Gegenteil praktiziert. Die Vorstellung, dem Kind in der ersten Lebensphase besonders viel Autonomie zugestehen zu müssen, führe in der zweiten Lebensphase zu vielen Kämpfen und Problemen und damit letztendlich zu einer engeren Kontrolle durch die Eltern. Zudem würden in der Öffentlichkeit dominierende pädagogische Vorstellungen den Umgang mit auffälligen Jugendlichen erschweren und Verhaltensauffälligkeiten begünstigen. Der Mythos, dass Kinder und Jugendliche „per se“ gut seien, übersähe, dass Werte und Einstellungen erlernt und vermittelt werden. Dazu benötigen Kinder Eltern, die „Führung“ übernehmen und Werte und Regeln vermitteln. Oftmals sei es daher wirksamer, nicht die (unwilligen) Jugendlichen zu therapieren, sondern bei den Eltern zu beginnen und diese in einem Erziehungsverhalten zu stärken, das Jugendlichen sowohl Grenzen als auch Freiräume zugesteht.
Ziel ist demnach die Verwirklichung einer regionalen Bildungslandschaft für die Zusammenarbeit mit Eltern.
In der ersten Phase lernen die Eltern Deeskalationsstrategien kennen, um die Situation zu Hause zu entschärfen. In der zweiten Phase geht es dann um gewaltlosen Widerstand, durch den die Eltern an Präsenz zu Hause gewinnen. In dieser Phase wird auch ein individuelles Unterstützernetzwerk aufgebaut - Menschen, die eine positive Bindung zum Kind haben oder hatten werden einbezogen. Erst in der dritten und letzten Phase kommt es im Rahmen von Familiengesprächen zu einem ersten Kontakt zwischen den Beratenden und den Jugendlichen. Die positiven Erfahrungen mit dem Programm (die Erfolgsquote liegt bei ca. 80%) haben die Schwellen zur Inanspruchnahme für das Jugendamt gesenkt. Wo früher dem Jugendamt das Elterncoaching als „letzter Ausweg“ diente, werden die Beratenden nun früher einbezogen, was die Arbeit erleichtert. Aufgrund des hohen Bedarfs wird neben dem Einzelcoaching auch ein Gruppenkurs zur Elternbildung an der VHS angeboten. Zusätzlich wurde für Eltern, die das Programm durchlaufen haben, eine Selbsthilfegruppe ins Leben gerufen.
„Es ist nie zu spät für einen neuen Kurs im Umgang miteinander“, sagt Marcus Stein. Auch den Jugendlichen ginge es mit Eltern, die wieder Grenzen setzen (können), besser. Diese zu motivieren, am Programm teilzunehmen und immer wieder auf ihre „schwierigen“ Kinder zuzugehen, sei manchmal nicht ganz einfach. Diesen Eltern sage er dann immer: „Sie sind nicht das Problem. Aber Sie sind die Lösung“. Die Erfolgsquote gibt ihm Recht.
„Die Jugendlichen wollen in der Regel einen kontrollierten Rausch erleben und verunglücken dabei“, so Hallmann. Ziel des erlebnispädagogischen Gruppenangebotes sei daher der verantwortungsvolle Umgang mit Alkohol und nicht (die kaum zu erreichende) Abstinenz. Neben diesem reaktiven Baustein (also der Intervention für gefährdete Jugendliche) umfasst das Projekt auch einen proaktiven Baustein, der Maßnahmen auf kommunaler Ebene anstößt und so dem Alkoholmissbrauch durch Jugendliche entgegen wirken soll. Durch die Vernetzung mit örtlichen Partnern wie beispielsweise Polizei, Sportvereinen, Schulen, Ordnungsämtern oder Gaststätten bemüht sich das Projekt um eine konsequente Umsetzung des Jugendschutzgesetzes und sensibilisiert durch eine ausgeprägte Öffentlichkeitsarbeit Eltern, Lehrer und Verkäufer für das Thema.
Das Projekt „Gelbe Karte“ ist dabei die letzte Möglichkeit für angezeigte Jugendliche, eine Gerichtsverhandlung zu vermeiden. Bei der Düsseldorfer Polizei sind speziell geschulte Jugendsachbearbeiter für jugendliche Straftäter zuständig. Diese entscheiden im Rahmen des Verhörs über die weiteren (möglichen) Maßnahmen. Jugendliche, bei denen die Rückfallgefährdung als hoch eingestuft wird, sind die typischen Adressaten der Gelben Karte.
Im Rahmen des Verfahrens nehmen die Jugendlichen gemeinsam mit ihren Eltern an einem Diversionstag teil. An diesem findet zunächst ein Gespräch mit der Jugendgerichtshilfe im Strafverfahren statt, in dem mögliche Ursachen und Missstände aufgedeckt werden können und geeignete erzieherische Maßnahmen für die Jugendlichen gesucht werden. Im Anschluss daran wird durch die Staatsanwaltschaft das Urteil gesprochen. Der Diversionstag erfolgt dabei möglichst zeitnah nach begangener Tat.
Das konzentrierte Verfahren scheint zu wirken: über 70% der Jugendlichen werden nicht mehr straffällig. Perspektivisch wünscht sich Schier ein noch stärker präventiv ausgerichtetes Eingreifen. „Gefährdete Jugendliche sind Lehrerinnen und Lehrern in der Regel schon bekannt, bevor es zur Strafanzeige kommt“, so Schier. Eine noch engere Kooperation mit den Schulen erscheint ihm daher sinnvoll. Allerdings findet diese immer im Spannungsfeld der Strafverfolgungspflicht statt – eine „beratende Haltung“ ist vor diesem Hintergrund nur schwer zu verwirklichen.
Einen der Babysimulatoren brachten Ulrike Färber vom Jugendamt Duisburg und Tonja Christ vom DRK Familienbildungswerk, die das Praktikum vorstellten, zum Workshop mit. Und sie sorgten damit gleich für Aufsehen bei den anderen Teilnehmenden, die zunächst ein richtiges Baby im Kindertragesitz vermuteten. „Genau so geht es den Jugendlichen im Praktikum auch“, schmunzelt Färber. Auch deshalb sei es so wichtig, im Vorfeld des Elternpraktikums ausreichend Informationsarbeit zu leisten.
Bevor das Elternpraktikum stattfindet, werden der betroffene Stadtteil, Lehrerinnen und Lehrer und Eltern über die Maßnahme informiert. Zum Abschluss der Projektwoche besuchen die Schülerinnen und Schüler das Jugendamt und bekommen dort nicht nur Informationen über die Angebote und Leistungen des Amtes, sondern auch ein Zertifikat über die Teilnahme am Praktikum ausgehändigt. „Wir sind kein Babyabschreckprogramm“, betont Christ. Es gehe vielmehr darum, realistische Einblicke zu schaffen und auf diese Weise Teenagerschwangerschaften zu verhindern. Ziele des Praktikums sind:
Im neuen Übergangsmanagement Schule-Beruf (NÜS) ist die Elternarbeit bereits als Standard aufgenommen. In der Praxis finden eine Vielzahl an Projekten und Ansätzen statt, die zumindest in Teilaspekten die ganze Familie ansprechen und stärken wollen. Speziell für Eltern aufbereitete Informationen zur Berufswahl und Ausbildungssuche ihres Kindes bietet beispielsweise der Göttinger Eltern-Kompass. In Stuttgart gibt es ebenfalls eine Handreichung, die der Frage nachgeht, wie Schule und Eltern gemeinsam Jugendliche bei der beruflichen Orientierung unterstützen können.
Darüber hinaus stellen verschiedene Internetplattformen Informationen zur Berufsorientierung explizit zugeschnitten für die unterschiedlichen Nutzergruppen Jugendliche, Lehrer oder Eltern bereit (siehe z.B. www.planet-beruf.de). In Aktionen zur Berufsorientierung wie beispielsweise dem „Girls‘ Day“ oder dem „Boys‘ Day“ werden Eltern bewusst mit einbezogen und auf den entsprechenden Internetauftritten eingeladen, sich interaktiv in der „Wiki Eltern Berufsorientierung“ einzubringen. Auch auf Veranstaltungen werden Eltern vermehrt angesprochen. So bot beispielsweise die Berufsbildungsmesse 2012 neben Seminaren für Schülerinnen und Schüler auch Elternseminare an. Die IHK Offenbach hat den Bedarf vieler Eltern aufgegriffen und bietet seit 2010 Informationen im Rahmen eines Elternfrühstücks an.
Da auch auf der Angebotsebene die Vernetzung schwierig sei, könnten – so ein Vorschlag – „Terminkonferenzen“ der Institutionen sinnvoll sein, bei denen es um eine zeitliche Koordination von relevanten Terminen geht. Konkrete Erfahrungen gab es zum Beispiel mit Informations- und Beratungsangeboten für Eltern. Hierbei sei zunächst das Zugangsproblem zu lösen. Sinnvolle Anreize seien wichtig, zugkräftige Themen (wie z.B. Pubertät) und vor allem der Weg über die Schulen bzw. über die Schulelternpflegschaft hätten sich als erfolgreich erwiesen. Bei der Durchführung von Beratungsangeboten – so die Teilnehmenden – ist eine gute Kenntnis der Familiensituation wichtig.
Darüber hinaus betonten die Teilnehmenden die Wichtigkeit von örtlichen Netzwerken. Die Zusammenarbeit der mit den Jugendlichen befassten Akteure erhöhe die Wirksamkeit von Maßnahmen. Darüber hinaus wünschte man sich für die Arbeit mit auffälligen Jugendlichen eine größere Kontinuität, die im Rahmen von Projekten häufig nicht gewährleistet werden könne.
Verhaltensauffällige Jugendliche leiden häufig auch unter einem riskanten Alkohol- oder Drogenkonsum. Der Übergang ins Berufsleben ist dementsprechend meist ebenfalls problematisch. Hier wird nicht nur der Familie sondern auch dem Wert von Netzwerken eine wichtige Rolle zugesprochen. Wenn die Akteure vor Ort an einem Strang ziehen, ergeben sich Synergieeffekte, die eine bessere Unterstützung der betroffenen Familie ermöglichen.
Wo grundsätzliche Bedarfe und Handlungsoptionen liegen, zeigte Matthias Bartscher von der Elternschule Hamm in seinem Vortrag auf.
Erziehungskompetenz der Eltern stärken: „Kinder brauchen Grenzen.“
Wie bedeutend die Familie für den Werdegang des Kindes ist, hat unter anderem schon die PISA-Studie 2000 verdeutlicht. Hier wurde die Familie als wichtigster Faktor für den Bildungserfolg von Kindern und Jugendlichen identifiziert. Aber auch in allen anderen Lebensbereichen kommt dem Elternhaus eine zentrale Bedeutung zu. Um Jugendliche zu erreichen, sei daher die Förderung und Unterstützung der gesamten Familie erforderlich, betonte Bartscher. Dabei finde der Familienalltag heute unter ganz anderen Bedingungen statt als noch vor 100 Jahren. Neue Unsicherheiten in Erziehungsfragen entstehen – Beratungsstellen für Eltern seien daher ein wichtiger Baustein zur Stärkung von Familien.Zu vielen Problemen führe, so Bartscher, ein weit verbreitetes Erziehungsideal: anstatt Regeln und Kontrollen mit fortschreitendem Alter des Kindes immer weiter zu lockern, würde oftmals das genaue Gegenteil praktiziert. Die Vorstellung, dem Kind in der ersten Lebensphase besonders viel Autonomie zugestehen zu müssen, führe in der zweiten Lebensphase zu vielen Kämpfen und Problemen und damit letztendlich zu einer engeren Kontrolle durch die Eltern. Zudem würden in der Öffentlichkeit dominierende pädagogische Vorstellungen den Umgang mit auffälligen Jugendlichen erschweren und Verhaltensauffälligkeiten begünstigen. Der Mythos, dass Kinder und Jugendliche „per se“ gut seien, übersähe, dass Werte und Einstellungen erlernt und vermittelt werden. Dazu benötigen Kinder Eltern, die „Führung“ übernehmen und Werte und Regeln vermitteln. Oftmals sei es daher wirksamer, nicht die (unwilligen) Jugendlichen zu therapieren, sondern bei den Eltern zu beginnen und diese in einem Erziehungsverhalten zu stärken, das Jugendlichen sowohl Grenzen als auch Freiräume zugesteht.
Wie kann die Unterstützung der Eltern konkret realisiert werden?
Neben diesem Leitbild eines autoritativen Erziehungsstils brauchen Eltern, so Bartscher, vor allem Angebote für (Erziehungs-) Gespräche und Coaching. Die Unterstützungsangebote müssen sich dabei vor allem an der Lebenswelt der Familien orientieren. Darüber hinaus kommt Orten der Vernetzung für Eltern eine wichtige Rolle zu. Während Jugendliche in der Regel gut vernetzt sind, stehen Eltern ihren Fragen und Problemen häufig alleine gegenüber. Auch Argumente wie „alle anderen (im Freundeskreis oder in der Klasse) dürfen dies oder jenes...“ würden bei einem regen Austausch der Eltern an Wirkungsmacht verlieren. Wie diesem Unterstützungsbedarf auf örtlicher Ebene nachgekommen werden kann, skizzieren folgende Anforderungen und Maßnahmen:- Bildungs- und Erziehungspartnerschaft sollte in jeder pädagogischen Einrichtung verwirklicht werden (Haltung, Methoden, Strukturen, Settings)
- Elternkurse und Elterntrainings sollten nah an den pädagogischen Institutionen angeboten werden
- Elternberatung sollte an jeder Einrichtung stattfinden
- Formen der Selbstorganisation und der gegenseitigen Unterstützung der Eltern sollten gefördert und angestoßen werden
Elterncoaching Autorität: „Die Eltern sind nicht das Problem. Die Eltern sind die Lösung.“
Wie die Unterstützung von Eltern verhaltensauffälliger Jugendlichen aussehen kann, stellten Marcus Stein und Irina Raeder vom Spectrum Erziehungshilfe vor. Seit zwei Jahren bieten sie in Duisburg ein Autoritätscoaching für Eltern an. Im Rahmen der flexiblen Hilfen ermöglicht das Jugendamt der Stadt Duisburg Eltern die Teilnahme an dem sechs- bis neunmonatigen Trainingsprogramm zur Wiedererlangung der elterlichen Autorität. Es handelt sich um eine EinzelfallhiIfe, die durch zwei Berater begleitet wird.In der ersten Phase lernen die Eltern Deeskalationsstrategien kennen, um die Situation zu Hause zu entschärfen. In der zweiten Phase geht es dann um gewaltlosen Widerstand, durch den die Eltern an Präsenz zu Hause gewinnen. In dieser Phase wird auch ein individuelles Unterstützernetzwerk aufgebaut - Menschen, die eine positive Bindung zum Kind haben oder hatten werden einbezogen. Erst in der dritten und letzten Phase kommt es im Rahmen von Familiengesprächen zu einem ersten Kontakt zwischen den Beratenden und den Jugendlichen. Die positiven Erfahrungen mit dem Programm (die Erfolgsquote liegt bei ca. 80%) haben die Schwellen zur Inanspruchnahme für das Jugendamt gesenkt. Wo früher dem Jugendamt das Elterncoaching als „letzter Ausweg“ diente, werden die Beratenden nun früher einbezogen, was die Arbeit erleichtert. Aufgrund des hohen Bedarfs wird neben dem Einzelcoaching auch ein Gruppenkurs zur Elternbildung an der VHS angeboten. Zusätzlich wurde für Eltern, die das Programm durchlaufen haben, eine Selbsthilfegruppe ins Leben gerufen.
„Es ist nie zu spät für einen neuen Kurs im Umgang miteinander“, sagt Marcus Stein. Auch den Jugendlichen ginge es mit Eltern, die wieder Grenzen setzen (können), besser. Diese zu motivieren, am Programm teilzunehmen und immer wieder auf ihre „schwierigen“ Kinder zuzugehen, sei manchmal nicht ganz einfach. Diesen Eltern sage er dann immer: „Sie sind nicht das Problem. Aber Sie sind die Lösung“. Die Erfolgsquote gibt ihm Recht.
„Immer weniger trinken immer mehr“: Hart am Limit (HaLT) – ein Alkoholpräventionsprojekt
Das Projekt HaLT ist ein kommunales Alkoholpräventionsprojekt, das durch das Bundesministerium für Gesundheit als Modellprojekt gefördert wurde. Die Länderkoordination in Nordrhein-Westfalen obliegt der Gingko-Stiftung für Prävention, deren Vorsitzender, Dr. Hans-Jürgen Hallmann, das Projekt im Rahmen des Workshops vorstellte. Anlass für die Initiierung von HaLT waren die zunehmenden Krankenhauseinweisungen wegen Alkoholmissbrauchs bei unter 18jährigen (Stichwort: „Komasaufen“). Zielgruppe sind daher vornehmlich Kinder und Jugendliche zwischen 13 und 17 Jahren, die aufgrund einer Alkoholvergiftung in einer Klinik behandelt wurden. Diesen soll im Rahmen einer neun bis zwölfstündigen Kurzintervention Risikokompetenz im Umgang mit Alkohol vermittelt werden.„Die Jugendlichen wollen in der Regel einen kontrollierten Rausch erleben und verunglücken dabei“, so Hallmann. Ziel des erlebnispädagogischen Gruppenangebotes sei daher der verantwortungsvolle Umgang mit Alkohol und nicht (die kaum zu erreichende) Abstinenz. Neben diesem reaktiven Baustein (also der Intervention für gefährdete Jugendliche) umfasst das Projekt auch einen proaktiven Baustein, der Maßnahmen auf kommunaler Ebene anstößt und so dem Alkoholmissbrauch durch Jugendliche entgegen wirken soll. Durch die Vernetzung mit örtlichen Partnern wie beispielsweise Polizei, Sportvereinen, Schulen, Ordnungsämtern oder Gaststätten bemüht sich das Projekt um eine konsequente Umsetzung des Jugendschutzgesetzes und sensibilisiert durch eine ausgeprägte Öffentlichkeitsarbeit Eltern, Lehrer und Verkäufer für das Thema.
Düsseldorfer Diversion „Gelbe Karte“: „Die letzte Chance vor der Anklage.“
Wenn Jugendliche „auf die schiefe Bahn“ geraten und straffällig werden, gilt es, Maßnahmen zu ergreifen, die verhindern, dass der eingeschlagene Weg weiter verfolgt wird und der Straftäter oder die Straftäterin weitere Delikte begeht. Wie durch die Kooperation von Staatsanwaltschaft, Jugendgerichtshilfe und Polizei ein Verfahren bereit gestellt wird, das genau dieses Ziel verfolgt, erläuterte Frank Schier, Jugendbeauftragter des Polizeipräsidiums Düsseldorf.Das Projekt „Gelbe Karte“ ist dabei die letzte Möglichkeit für angezeigte Jugendliche, eine Gerichtsverhandlung zu vermeiden. Bei der Düsseldorfer Polizei sind speziell geschulte Jugendsachbearbeiter für jugendliche Straftäter zuständig. Diese entscheiden im Rahmen des Verhörs über die weiteren (möglichen) Maßnahmen. Jugendliche, bei denen die Rückfallgefährdung als hoch eingestuft wird, sind die typischen Adressaten der Gelben Karte.
Im Rahmen des Verfahrens nehmen die Jugendlichen gemeinsam mit ihren Eltern an einem Diversionstag teil. An diesem findet zunächst ein Gespräch mit der Jugendgerichtshilfe im Strafverfahren statt, in dem mögliche Ursachen und Missstände aufgedeckt werden können und geeignete erzieherische Maßnahmen für die Jugendlichen gesucht werden. Im Anschluss daran wird durch die Staatsanwaltschaft das Urteil gesprochen. Der Diversionstag erfolgt dabei möglichst zeitnah nach begangener Tat.
Das konzentrierte Verfahren scheint zu wirken: über 70% der Jugendlichen werden nicht mehr straffällig. Perspektivisch wünscht sich Schier ein noch stärker präventiv ausgerichtetes Eingreifen. „Gefährdete Jugendliche sind Lehrerinnen und Lehrern in der Regel schon bekannt, bevor es zur Strafanzeige kommt“, so Schier. Eine noch engere Kooperation mit den Schulen erscheint ihm daher sinnvoll. Allerdings findet diese immer im Spannungsfeld der Strafverfolgungspflicht statt – eine „beratende Haltung“ ist vor diesem Hintergrund nur schwer zu verwirklichen.
„Wenn Kinder Kinder kriegen“ – Eltern auf Probe im Elternpraktikum
Zur Auseinandersetzung von Jugendlichen mit dem Thema Elternschaft führt das Jugendamt der Stadt Duisburg in Kooperation mit dem DRK Familienbildungswerk Duisburg an allen neunten Klassen der Hauptschulen obligatorisch das sogenannte „Elternpraktikum“ durch. Gestützt durch Babysimulatoren erfahren die Jugendlichen eine Woche lang sehr konkret, was es heißt, Eltern zu sein.Einen der Babysimulatoren brachten Ulrike Färber vom Jugendamt Duisburg und Tonja Christ vom DRK Familienbildungswerk, die das Praktikum vorstellten, zum Workshop mit. Und sie sorgten damit gleich für Aufsehen bei den anderen Teilnehmenden, die zunächst ein richtiges Baby im Kindertragesitz vermuteten. „Genau so geht es den Jugendlichen im Praktikum auch“, schmunzelt Färber. Auch deshalb sei es so wichtig, im Vorfeld des Elternpraktikums ausreichend Informationsarbeit zu leisten.
Bevor das Elternpraktikum stattfindet, werden der betroffene Stadtteil, Lehrerinnen und Lehrer und Eltern über die Maßnahme informiert. Zum Abschluss der Projektwoche besuchen die Schülerinnen und Schüler das Jugendamt und bekommen dort nicht nur Informationen über die Angebote und Leistungen des Amtes, sondern auch ein Zertifikat über die Teilnahme am Praktikum ausgehändigt. „Wir sind kein Babyabschreckprogramm“, betont Christ. Es gehe vielmehr darum, realistische Einblicke zu schaffen und auf diese Weise Teenagerschwangerschaften zu verhindern. Ziele des Praktikums sind:
- Die Vermeidung von zu früher Elternschaft und der damit verbundenen Benachteiligung von Jugendlichen und deren Kindern,
- der Umgang mit Überforderungssituationen zur Vermeidung von Kindeswohlgefährdung
- das frühzeitige Kennenlernen und Akzeptanz von Hilfsangeboten (Beratung, Familienbildung),
- die Hinführung zu verantwortungsvoller späterer Elternschaft.
Den Übergang von der Schule in den Beruf gemeinsam erfolgreich gestalten
Bei aktuell über 300 Ausbildungsberufen fällt es Jugendlichen verständlicherweise oft nicht leicht, den richtigen Beruf für sich zu finden. Laut einer Studie des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) spielen bei der Berufswahl die Eltern, insbesondere die Mutter, nicht nur eine entscheidende, sondern sogar die größte Rolle. Das Internet als Informationsmedium nimmt in der wichtigen Phase der Berufsorientierung lediglich den zweiten Platz ein. Umso wichtiger ist es daher, die Eltern für diese Lebensphase ihres Kindes zu gewinnen und sie in ihren Unterstützungsleistungen zu stärken. Katrin Böhnke-Gudowski vom Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) präsentierte einen Überblick verschiedener Angebote zur Gestaltung des Übergangs von der Schule in den Beruf, die Eltern als wichtigste Bezugspersonen in dieser Phase berücksichtigen und ansprechen.Im neuen Übergangsmanagement Schule-Beruf (NÜS) ist die Elternarbeit bereits als Standard aufgenommen. In der Praxis finden eine Vielzahl an Projekten und Ansätzen statt, die zumindest in Teilaspekten die ganze Familie ansprechen und stärken wollen. Speziell für Eltern aufbereitete Informationen zur Berufswahl und Ausbildungssuche ihres Kindes bietet beispielsweise der Göttinger Eltern-Kompass. In Stuttgart gibt es ebenfalls eine Handreichung, die der Frage nachgeht, wie Schule und Eltern gemeinsam Jugendliche bei der beruflichen Orientierung unterstützen können.
Darüber hinaus stellen verschiedene Internetplattformen Informationen zur Berufsorientierung explizit zugeschnitten für die unterschiedlichen Nutzergruppen Jugendliche, Lehrer oder Eltern bereit (siehe z.B. www.planet-beruf.de). In Aktionen zur Berufsorientierung wie beispielsweise dem „Girls‘ Day“ oder dem „Boys‘ Day“ werden Eltern bewusst mit einbezogen und auf den entsprechenden Internetauftritten eingeladen, sich interaktiv in der „Wiki Eltern Berufsorientierung“ einzubringen. Auch auf Veranstaltungen werden Eltern vermehrt angesprochen. So bot beispielsweise die Berufsbildungsmesse 2012 neben Seminaren für Schülerinnen und Schüler auch Elternseminare an. Die IHK Offenbach hat den Bedarf vieler Eltern aufgegriffen und bietet seit 2010 Informationen im Rahmen eines Elternfrühstücks an.
Die Sicht der Teilnehmenden: Übergang Schule und Beruf
Für die erfolgreiche Gestaltung des Übergangs von der Schule in den Beruf wurden von den Teilnehmenden in der Arbeitsgruppe einige Aspekte als besonders wichtig hervorgehoben:- Die Nähe zur Berufspraxis bei der Berufsorientierung
- Die frühzeitige Förderung und Orientierung von Jugendlichen bereits ab der Klasse 7
- Einbeziehung der Eltern
- Informationen für Unternehmen
- Spezifische Angebote für bildungsferne Schichten
Die Sicht der Teilnehmenden: Unterstützung der Eltern bei der Erziehung
Grundsätzlich waren die Teilnehmenden der Ansicht, dass das Unterstützungssystem nicht mit den sich verändernden Herausforderungen der Familien „mitwachse“. Es dominierte der Eindruck, dass Eltern sich zunehmend hilflos fühlten, dass ihnen altersentsprechendes Erziehungswissen fehle und die daraus entstehende Problematik gesellschaftlich kaum anerkannt sei. Schwierig werde es auch, weil die Vernetzungsmöglichkeiten der Eltern aufgrund hoher Anforderungen der Schule und im Beruf nachgelassen hätten und Gelegenheiten für den informellen Informationsaustausch somit abnähmen.Da auch auf der Angebotsebene die Vernetzung schwierig sei, könnten – so ein Vorschlag – „Terminkonferenzen“ der Institutionen sinnvoll sein, bei denen es um eine zeitliche Koordination von relevanten Terminen geht. Konkrete Erfahrungen gab es zum Beispiel mit Informations- und Beratungsangeboten für Eltern. Hierbei sei zunächst das Zugangsproblem zu lösen. Sinnvolle Anreize seien wichtig, zugkräftige Themen (wie z.B. Pubertät) und vor allem der Weg über die Schulen bzw. über die Schulelternpflegschaft hätten sich als erfolgreich erwiesen. Bei der Durchführung von Beratungsangeboten – so die Teilnehmenden – ist eine gute Kenntnis der Familiensituation wichtig.
Die Sicht der Teilnehmenden: Kriminalitäts- und Gewaltvermeidung
Die Teilnehmenden vertraten die Ansicht, dass es darum gehen müsse, möglichst präventiv aktiv zu sein. Auch bei bereits auffällig gewordenen Jugendlichen greife eine bloße Symptombekämpfung zu kurz – man müsse die Ursachen finden und beheben. “Gewalt“ an Schulen wurde als ein großes Thema benannt, allerdings würde dieses aus Angst vor Stigmatisierung häufig tabuisiert. Hier müsse eine neue Haltung etabliert und Informationen bereitgestellt werden. Die ursprünglich aufgrund der Amokläufe eingerichteten Krisenteams könnten in diesem Bereich eine tragende Rolle einnehmen. Auch Schulsozialarbeitern wurde eine zentrale Funktion zugesprochen und ihr verstärkter Einsatz gewünscht.Darüber hinaus betonten die Teilnehmenden die Wichtigkeit von örtlichen Netzwerken. Die Zusammenarbeit der mit den Jugendlichen befassten Akteure erhöhe die Wirksamkeit von Maßnahmen. Darüber hinaus wünschte man sich für die Arbeit mit auffälligen Jugendlichen eine größere Kontinuität, die im Rahmen von Projekten häufig nicht gewährleistet werden könne.
Fazit: Ein Plädoyer für starke Eltern und starke Netzwerke
Im Rahmen des Workshops zeigte sich, wie komplex und vielfältig die Bereiche sind, in denen Familien mit Jugendlichen unterstützt werden können. Ob Gesundheits-, Kriminalitäts- und Suchtprävention oder Berufswahlorientierung: der Unterstützung durch die Eltern wurde in allen Lebensbereichen eine zentrale Bedeutung zugesprochen. Hier gelte es durch Beratungs- und Vernetzungsangebote Eltern zu stärken und zu befähigen ihre Kinder altersgerecht zu unterstützen. Besonders wenn Kinder in der Jugendphase auffällig werden, seien Eltern sonst oftmals überfordert – zumal sich die Problemlagen häufig überschneiden.Verhaltensauffällige Jugendliche leiden häufig auch unter einem riskanten Alkohol- oder Drogenkonsum. Der Übergang ins Berufsleben ist dementsprechend meist ebenfalls problematisch. Hier wird nicht nur der Familie sondern auch dem Wert von Netzwerken eine wichtige Rolle zugesprochen. Wenn die Akteure vor Ort an einem Strang ziehen, ergeben sich Synergieeffekte, die eine bessere Unterstützung der betroffenen Familie ermöglichen.
Weiterführende Informationen (Interne Links)
- Erziehung, Bildung, Beratung Kinder brauchen nicht nur eine angemessene Versorgung und kindgerechte Lebensbedingungen. Für ihre Entwicklung sind darüber hinaus die Erfahrung von Sicherheit und emotionaler Zuwendung sowie von neuen Anregungen und von Autonomie wichtig. Hierfür sind zunächst die Familien zuständig. mehr
- Erfahrungsbericht: Paten für Arbeit in Essen Ehrenamtlich tätige Paten kümmern sich in Essen um junge Menschen, begleiten sie über mehrere Jahre und unterstützen sie in vielerlei Hinsicht während ihrer Schul- und Ausbildungszeit. mehr
- Bielefeld Jugendhaus – Beratung aus einer Hand mehr
Weiterführende Informationen (Externe Links)
- Elternschule Hamm e.V. Die "Elternschule Hamm" ist aus verschiedenen Initiativen zur Verstärkung der Elternbildung in Hamm hervorgegangen. Geboten wird ein differenziertes Angebot an thematischen Elternabenden, Elternseminaren, Veranstaltungsreihen und speziellen Elternkursen. Von Geburtsvorbereitungskursen bis hin zu Angeboten für Eltern pubertierender Kinder wird die ganze Bandbreite abgedeckt.
- HaLT Alkoholprävention bei Kindern und Jugendlichen Mit dem Präventionsansatz HaLT – Hart am LimiT wurde frühzeitig eine effektive Antwort auf den zunehmenden riskanten Alkoholkonsum bei Kindern und Jugendlichen entwickelt. Mittlerweile wird HaLT an 100 Standorten in ganz Deutschland umgesetzt.
- ginko-Stiftung für Prävention Die ginko Stiftung für Prävention ist eine operative Stiftung, die zur Erfüllung ihres Stiftungszwecks selbst Projekte und Kampagnen durchführt. Sie wurde 1979 als Gesprächs-, Informations- und Kontaktzentrum gegründet mit dem Ziel, Kinder und Jugendliche bei Schwierigkeiten und Konflikten zu unterstützen sowie die Entwicklung von Sucht- und Abhängigkeitserkrankungen zu verhindern. Die ginko Stiftung ist Träger der Landeskoordinierungsstelle für Suchtvorbeugung NRW
- Spectrum Erziehungshilfe Spectrum-Erziehungshilfe ist anerkannter Träger der freien Jugendhilfe und hilft Kindern, Jugendlichen und deren Eltern, bestimmte Krisen zu meistern oder wichtige Entwicklungsschritte zu vollziehen. Gemeinsam mit Ihnen entwickeln Expertinnen und Experten individuelle Lösungswege.
- Berufsorientierungsprogramm Das BMBF-Programm zur "Förderung der Berufsorientierung in überbetrieblichen und vergleichbaren Berufsbildungsstätten" unterstützt die Schülerinnen und Schüler dabei, die Berufswahl frühzeitig und systematisch vorzubereiten.
- Berufsorientierung NRW Berufs- und Studienorientierung sowie Übergangsangebote in NRW